Anreise nach Rio
- Um Juli 30, 2016
- Von mtank
- In Rio 2016
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Um es vorweg zu nehmen, ich reise gerne und viel. Ich kenne mich aus und habe den Vorteil eines Status bei einer Fluglinie. Und nein, es ist nicht die mit dem Kranich, obwohl mein Sohn für die arbeitet und ich als leiblicher Vater bestimmte Vorteile hätte.
Man bekommt als Olympiateilnehmer den Flug nach Rio via Frankfurt in der Holzklasse bezahlt. Und es gibt für die Olympiateilnehmer sogar einen extra Schalter in Frankfurt.
Auch mit zu viel Gepäck gibt es nie Ärger. Aber: während 2008 Nowitzki und Co ebenfalls in der Eco reisen sollten und von barmherzigen Stewardessen dann in die Businessclas upgegradet wurden, gibt es diesmal anscheinend eine der Anatomie angepasste Sitzverteilung.
Leider gilt die nicht für Teilmannschaftsleiter oder Ärzte, nicht einmal wenn man, wie in meinem Fall, beides ist.
Ein Upgrade auf Premium-Eco sollte 1600 €, in die Businessclass 3400€ kosten – one way!!! Macht also nur um bei einem Nachtflug (Ab FFM 22 Uhr, an Rio 5 Uhr Ortszeit) schlafen zu können, hin und zurück 6800€ für ein Upgrade. Dafür hätte man zeitgleich im Internet einen ganzen Businessflug bekommen. Immerhin wird einem der Kostenanteil für einen Ecoflug erstattet, wenn man die Anreise selbst organisiert und bezahlt. Also klare Sache, mit Iberia kostet die Reise in der Businessclass 56oo€, abzüglich der Ecokosten bleibe ich auf rund 4300€ sitzen, plus Hotel in Düsseldorf, weil ich aus HH nicht rechtzeitig nach Madrid gekommen wäre… unverständlich?
Also: ich habe meinen Flug bei Iberia ab Düsseldorf nach Madrid, von dort nach Rio und nur beim Rückflug kann ich aus Madrid direkt nach HH fliegen. Um den frühen Zubringer nach Madrid, (ab DUS 8:00 Uhr) zu bekommen, fliege ich am Donnerstag nach DUS, schlafe dort und fliege am Freitag weiter.
Die Posse an allem: Obwohl ich einen Status habe und damit mein zweites Gepäckstück nach Düsseldorf aufgeben kann, muss ich 50€ Übergepäck bezahlen (5 kg ist der Medizinkoffer zu schwer). Kulanz gibt es auch für Vielflieger nicht mehr.
Und was man auch wissen muss: Ich kann meine Medizinkoffer nicht über die Spedition des DOSB schicken, weil nur ich als Arzt meine Sachen ohne größere Zollprobleme nach Brasilien hineinbekomme.
Größtes Problem dabei: Weil ich meine Olympiakleidung auch schleppen muss (siehe Einkleidung), bin ich nicht in der Lage mein gesamte Gepäck, bestehend aus Riesenkoffer mit 2 darin enthaltenen 2 Arzttaschen, meine offizielle Olympiaausrüstung, mein Handgepäck und meinen Laptop gleichzeitig zu bewegen. Private Kleidung habe ich bis auf eine Hose, Sandalen und ein T-shirt komplett zu Hause gelassen, es gab keine Möglichkeit, die auch noch mitzunehmen.
„Alles Scheisse“ fluche ich in mich hinein, „warum machst Du das alles?“ Die Frage scheint berechtigt und manchmal fällt mir auch keine passende Antwort ein, die meinen Aufwand rechtfertigt. Knapp 4 Wochen die Praxis alleine zu lassen und auf jegliche Einnahme zu verzichten, den Flug weitgehend selbst zu bezahlen, die Klamotten durch die Welt schleppen, um dann einen 16-Stundentag unentgeltlich abzuleisten, statt in einem Hotel in einer jugendherbergeähnlichen Situation im Zweierzimmer zu leben, dazu braucht es schon viel Opferbereitschaft.
Warum ich hier so rumjammere? Nun- in den Medien kommen wir, die Funktionäre nicht vor. Ich finde aber, dass gerade die in der zweiten Reihe teilweise Unglaubliches vollbringen, sich genauso oder mehr aufopfern, als die Athleten es tun, die ja mit Erfolgen belohnt werden können. Wer kennt denn heute noch den Trainer, Physiotherapeuten oder Manager unserer Beach-Olympiasieger? Und wer kenn die Pferdepfleger, Radmechaniker, Bootspfleger, die Mitarbeiter des DOSB, die monatelang alles versuchen, damit es am Ende zum Erfolg kommt. Erfolg, der natürlich in Medaillen gemessen wird. Dabei sein reicht nicht mehr. Siege zählen. Oder wenigstens Medaillen.
Und dafür ist das Team um das Team wichtig. Ihnen sind diese Zeilen gewidmet.
Olympiasieger bleibt man lebenslang, Olympiasiegerradmechaniker ist man nach kurzer Zeit nicht mehr.
Und was mich auch stört ist die Tatsache, dass für den vermeintlich wichtigsten Wettkampf im Leben eines Sportlers die schlechtesten Bedingungen herrschen.
Während man bei einer WM oder EM in der Regel freien Zugang zu den Sportlern hat, das Team also sein eingespieltes Umfeld mitbringen kann (Manager, Physiotherapeut, Psychologe, Krafttrainer, Techniktrainer, Arzt, Mechaniker etc), ist bei Olympia der Zugang extrem limitiert. Auch der Zugang zu Trainingsplätzen, Krafträumen, zur Mensa und den Vorbereitungszonen wird hier für alle, die keine entsprechende Akkreditierung haben, verschlossen. Hinter den Kulissen wird um Tageszugangslizenzen, abgewertete Akkreditierungen mit limitierteren Rechten etc. gefeilscht.
Wo liegt der Haken? Bei olympischen Spielen trägt das Gastgeberland alle Kosten für die Teilnehmer und die unmittelbaren Betreuer. Die Zahl ist auf etwa 2:1 begrenzt (2 Athleten = 1 Funktionär), um die Kosten nicht ausufern zu lassen. Bei 10000 Athleten müssen 15 000 Personen untergebracht, verpflegt, transportiert und bewacht werden. Und das kostet. Und Brasilien ist pleite. Das BIP sank von 2011 bis 2016 um 38(!) Prozent, auch wegen des Ölpreisverfalls.