Antarktis
- Um Februar 02, 2010
- Von mtank
- In Reisetagebuch
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Es ist eines klar geworden – ich bin und werde kein Segler. Ich habe der Crew eben noch gesagt: “too much effort and too low output”.
Es begann ganz gut: Wir bekamen eine 2er-Kabine, anstatt der gebuchten 5er. Nur dass ich, der Doktor, eine Crew-Kabine bekam, also eine eher klein geratene Unterkunft. Auf 2 x 2,20 m waren ein Schrank, 2 Betten und ein Badezimmer mit Toilette, Dusche und Waschbecken untergebracht. Es gab also ziemlich genau 1,10 x 80 cm zum Stehen , Ankleiden etc…Ich hab das untere Bett gekriegt, dass ein wenig hoeher war, dafuer aber unter dem “Himmel” 2 Neopren-Rettungsanzuege und 2 Schwimmwesten beherbergte.
Nach einer Sicherheitseinweisung und Erklaerung der akustischen Warnsignale wurden wir in Gruppen eingeteilt. Blaue Wache, das waren wir, 12 Leute, Hollaender, Deutsche, Spanier. Nach einem Begruessungsdrink und dem Abendessen erfolgten weitere Einweisungen. Morgens um 9 wurde 3 mal getutet und wir legten ab. Bald wurden Segel gesetzt (wir durften Strippen ziehen) und der Beagle-Kanal zeigte sich von seiner guten Seite. Nach einem halben Tag kamen wir auf die offene See und es wurde rauher. Die Drake Passage, das Stueck suedlicher Atlantik zwischen Kap Horn und der Antarktischen Halbinsel, gilt als das rauheste Meer der Welt und ist fuer seine Stuerme bekannt. Seekrankheit griff um sich und ich durfte schon mal arbeiten. Abends opferte auch ich Neptun, weigerte mich aber, Medikamente zu nehmen.
Gegen Mitternacht, in unserer letzten Wache, waren von den 12 nur noch 3 uebrig. 2 deutsche Kerle und eine Hollaenderin. Als ich dann endlich ins Bett durfte, trank ich einen Schluck Wasser und Neptun forderte erneut seinen Tribut… diesmal nicht ueber die Reling, sondern gerade noch rechtzeitig in die Toilette… Aber danach ging es besser. Ich konnte sogar schlafen und morgens war es nur noch ein Magendruecken und eine unterschwellige Uebelkeit. Allerdings wurde ich chronisch muede und schlecht gelaunt und mochte nicht so recht essen. Brot gab es fuer mich nicht, die Koechin buk taeglich Reismehl- spaeter dann Haferbrot, eine knochentrockene Angelegenheit. Irgendwann kamen dann fetttriefende Pfannkuchen dazu… Ich hab es zunaechst gegessen, spaeter einfach ignoriert. Insgesamt hat mich das 3 Kilo gekostet, aber das schadet mir nicht wirklich…
Auf der Drakepassage sieht man ausser Albatrossen mit ihren Segelkuensten, einigen Petrels und Seaterns (keine Ahnung wie die Viecher auf Deutsch heissen) nur noch sehr gelegentlich Delfine, die in der Bugwelle spielen. Ansonsten steuert man das Schiff oder steht am Ausguck und wartet darauf, wer zuerst einen Eisberg sieht. Der Wettergott hat fuer die gesamte Reise das beste Wetter gemacht, kaum Seegang und nur etwas Regen. “Das Wetter aendert sich in der Drake alle 15 Minuten” sagte der Kapitaen ROB, und er hatte meistens Recht.
Bis zum 5. Tag morgens ich war platt, wegen des Wachsystems, 8 Stunden frei, 4 Stunden Dienst, davon ca. alle 20 Min in Wind und Wetter bei 2-5 Grad und 20 Knoten Wind – da wird es echt kalt. Ohne Barbros Hilfe, die als erfahrene Seglerin wesentlich besser als ich ausgeruestet war und mir z.B. mit Handgelenkschuetzern ausgeholfen hat, haette ich gar keinen Spass gehabt. Auch so habe ich fast nur gepennt und Wache geschoben, dazwischen ein wenig gegessen. Dann endlich war Land in Sicht. Die Pinguine huepften neben dem Boot aus dem Wasser und die Eisberge trieben vorbei. 11 gute Tage lagen vor uns, an denen wir mit den Zodiaks ausgebootet, an Land geschafft wurden und Pinguine und verschiedene Robbenarten hautnah erleben konnten, Wale neben dem Boot hatten und unglaubliche Fotos schiessen konnten.
An 3 Tagen war sogar blauer Himmel und am suedlichsten Punkt der Reise ein traumhafter Sonnenuntergang zu sehen. Essen machte wieder Spass und das Wachsystem entfiel. Gute Dokumentarfilme, interessante Vortraege durch den begleitenden Geologen und Biologen rundeten die Sache ab. Wenn nur das Essen nicht so grausam gewesen waere! Das war unter Bundeswehrniveau, aber man kann sich auf einem kleinen Boot mit 54 Mann/Frau incl. Crew nicht beklagen. Gut, dass ich einige eigene Vorraete hatte.
Dass man in der Antarktis bei 0,9 Grad Wassertemperatur (Luft in der Sonne bis 11Grad) baden kann, wurde uns auch gezeigt. Auf Deception Island, einem ehemaligen Vulkankrater (letzter Ausbruch 1997) ist die Erde so heiss, dass Wasser in kurzer Zeit ueber 40 Grad erreicht und dann schon zu heiss wird. Man graebt sich also ein Loch, das Grundwasser ist heiss und dann kippt man regelmaessig kaltes Meerwasser dazu. Ich habs bei einem Fussbad bewenden lassen, aber manche sind in Badehose ganz in den Mulden verschwunden und haben sich dann im Meer abgekuehlt. “Nur die Harten…”
Pinguinkolonien erkennt man auf Kilometer am Geruch, wir haben nur 4 verschiedene gesehen, aber das reichte auch. Mein Film ueber einen kleinen Pinguin (15 Sek) hat mir dann auch den ersten Preis beim bootsinternen Filmcontest eingetragen. Der Preis: eine Flasche Weisswein (Qualitaet: naja…)
Die Rueckfahrt ueber die Drake Richtung Kap Horn war ebenfalls ungewoehnlich ruhig, nur in der letzten Nacht kam Windstaerke 8 und 3-5 m Welle. Also Segel hoch und durch. Ich hab immerhin auch vor Kap Horn das Schiff gesteuert. Dabei war Kap Horn 10 Seemeilen entfernt – die Chilenen wollen Geld, wenn man naeher kommt. Kap Horn selbst ist eine Insel, bestehend aus 2 Erhebungen, von denen die eine spitz und die andere eher ein sanfter Huegel ist.
Die wirkliche Seekrankheit blieb meistens aus, weil sich die Leute sich mit Pillen vollgestopft hatten, – auch ich musste einmal Tropfen nehmen. Insgesamt war medizinisch nicht viel zu tun, und ausser mir gab es noch 3 Aerzte an Bord. Einen Herzchirurgen, einen niederlaendischen Allgemeinmediziner und eine hollaendische Kollegin, die im Marineamt arbeitet. Dazu eine Physiotherapeutin der hollaendischen Schwimmmannschaft, die ich auch in Peking oder Athen haette treffen koennen, eine Krankenschwester und eine Akupunkteurin.
Der Beaglekanal war dann der letzte Abschnitt und gestern Abend legten wir in Ushuaia wieder an. Was von mir, Barbro und Dick, einem sehr netten Kaeskopp, sofort zu einem Restaurantbesuch ausgenutzt wurde. Endlich essen was ich will und nicht das, was man mir vorsetzt. Dazu ausnahmsweise mal ein guter Wein. Die Crew und die meisten vom Boot feierten in einem Pub Abschied und kamen ziemlich unter die Raeder. Ich konnte dagegen ziemlich gut schlafen und nachdem wir heute Morgen unsere Rechnungen bezahlt hatten, bekamen wir die Reisepaesse zurueck und konnten auschecken.
Bleibt mein Fazit:
Im Motorboot muss man weniger arbeiten und kommt auch dahin. Wir sind fast die ganze Zeit unter Motor gefahren, Segel wurden nur zur Unterstuetzung gesetzt. Aber als Motorboot wird man weniger fotografiert, als Segelschiff ist man immer Fotomotiv. Ich hab gelernt, dass ich auf engem Raum nicht klar komme, schon gar nicht, wenn da Leute sind, die ich nicht abkann – und solche gab es auch. Und Essen muss einfach mal gut und nicht nur kalorienreich sein.
Wer nun glaubt ich haette die Antarktis gesehen, den muss ich ein bisschen daempfen. Wuerde man jemandem glauben, der Baltrum, Norderney, Langeoog und Wangerooge besucht und dann fuer kurze Zeit in Bensersiel anlegt, dass er in Deuschland war?
Die Antarktische Halbinsel ist touristisch am besten entwickelt und am besten erreichbar. Wir haben also einige Inseln besucht, die kurz vor dem Festland lagen und dann einmal den Fuss auf das Festland gesetzt. Wir haben gesehen, dass trotz Antarktisvertrag, die einzelnen Nationen immer noch Gebietsansprueche erheben (British Antarctic Territory – was soll das bitte sein?) und dass der Schutz der Kernzone einigermassen funktioniert.
Fossilien zeigen, dass die Antarktis mal ein warmer Kontinent war, Walknochen und alte Fabriken zeigen aber auch den Raubbau, der hier durch die Walfaenger bis ca. 1960 getrieben wurden. Wenn Blauwale, die schon lange geschuetzt sind, sich mit Finnwalen zu paaren versuchen, weil sie ihre Artgenossen nicht mehr finden, andererseits aber Japan zu Forschungszwecken jahrlich hunderte Minkwale hinschlachtet und andere Nationen den Walfang wieder aufnehmen wollen, dann kann man am ernsten Willen zum Naturschutz nur zweifeln.
Da Krill zum Glueck so fluorhaltig ist, dass er nicht in grossem Stil vermarketet werden kann, besteht derzeit wenigsten nicht die Gefahr, dass aus Ueberfischung die wichtigste Basis des gesamten Oekosystems vom Menschen direkt zerstoert wird. Aber die globale Erwaermung, die hier etwa 5 mal schneller voranschreitet als bei uns, veraendert die Lebensbedingungen nachhaltig. (Ich weiss, endlich mal wieder Schnee in HH). Es fehlt an Eis im Winter, unter dem Krill sich entwickeln kann. Man erwartet fuer den kommenden Winter (unser Sommer) ein vermehrtes Sterben ALLER Tiere, weil hier alle vom Krill leben, den es in diesem Sommer bereits nicht ausreichend gab.
2500 Fotos und 90 Min Film warten auf die Bearbeitung. Dabei fliege ich in 3 Tagen schon wieder nach Chile, ein bisschen Waerme sammeln…