Big brother is watching you
- Um August 01, 2008
- Von mtank
- In Peking 2008
0
Heute will ich berichten, dass wir alles am Laufen haben und es eigentlich kaum Probleme gibt. Nachdem alle wissen, was wo ist und wie sie welche Dinge bekommen, sind es nur noch Kleinigkeiten und Routine, die angewickelt werden muessen. Es gibt, wie nicht anders zu erwarten erste Konflikte im Team, die sich nicht vermeiden lassen. dem hatten wir versucht zu entgehen, indem wir eigentlich ins Trainingslager wollten. hat nicht geklappt, und nun haegen die Leute aufeinander und nerven sich gegenseitig. Es ist alles im Rahmen, aber dadurch, dass es noch keinen Druck und keine konkrete Spielvorbereitungen gibt, entstehen Freiraeume in denen sich einige zu laten anderer ausbreiten. Ich habe eine Teammeeting angesetzt und erwarte auch von dem erfahreneren der Trainer die angekuendigte Unterstuetzung.
Sonntag ist der Tag durch eine Tour zur Mauer und einen Besuch der Hutons verplant, – einigen ist eine Tagestour zu lang – aber ich halte es fuer noetig, um aus dem Trott zu kommen und den Kopf mit anderen Dingen als essen, trainineren,behandeln und schlafen zu fuellen.
Und nun zum Thema. das Dorf fuellt sich langsam und selbst der Kraftraum (war heute zum zweiten Mal dort trainieren) ist so voll, dass man kaum an die Geraete kommt. Die Polizeipraesenz wurde nochmal verstaerkt und es fliegt ein sehr lauter Hubschrauber regelmaessig das Gelaende ab. An jeder Ecke steht polizei, den leeren Blick frei in die ferne gerichtet, bewegungslos – menschliche Dekorationsstuecke, die einen eindrucksvollen Kontrollapparat repraesentieren.
In jedem Haus stehen Voluteers (blaues Hemd = keine Bezahlung) und halten die Tueren auf, putzen und laecheln – diese Chinesen freuen sich dabei zu sein und sind stolz, einen Beitrag leisten zu koennen, wobei die Sprache meist ein unueberwindliches Hindernis bleibt. Heute wurde das chinesische Haus von aussen abgewischt von vielen vielen Blauhemden, damit es immer schoen aussieht. Neben den Blauhemden sehe ich eine zunehmende Zahl an Rothemden. Rothemden sind bezahlt und koennen etwas, fuer dass es sich offensichtlich lohnt Geld auszugeben.Sie scheinen in der Hierarchie hoeher, haben Kontrollfunktionen. Gelbhemden sorgen dafuer dass niemand seine Tasche mit in die Mensa nimmt, denn es ist verboten sich etwas zu essen mitzunehmen. Getraenke gibt es ausserhalb an Automaten, wenn man zu den Privilegierten gehoert, die ein Welcome/Package bekommen haben. Da ist ein elektronischer Schluessel drin, den man an den Automaten haelt und dann kommt das gewuenschte Getraenk auf Knopfdruck. Wegen der hohen Zahl an Teilnehmern hat aber nicht jeder Funktionaer so etwas bekommen.
Jedenfalls muss man sich schon etwas einfallen lassen, um einen Apfel mitzunehmen, – offiziell jedenfalls. Bisher gelingt es immer, die Gelbhemden so abzulenken, dass man mit Tasche reinkommt oder sich so etwas mitnehmen kann. Dabei soll keineswegs der Eindruck entstehen, wir muessten uns essen mitnehmen. Es gibt alles 24 stunden am Tag/Nacht frisch.
Schraeg ueber die Strasse gehen ist inzwischen ebenfalls verboten. Da steht einer mit Leuchtweste und Leuchtstab und weist einem den rechtwinkligen Weg. Ueberhaupt wird man freundlich darauf hingewiesen, wie man sich zu verhalten hat und man ist nie alleine. Da kommen ungefragt Leute in die Zimmer um Toiletten zu reparieren, die eigentlich funktionieren oder Birnen zu tauschen, wo das Licht brennt. Diese „Monteure“ haben natuerlich keine Sprachkenntnisse, so dass Kommunikation nicht ermoeglicht wird. Ich bin mir nicht sicher, ob es sich um Kontrollen handelt, oder ob da wirklich etwas nicht funktioniert. Es ist aber nicht moeglich, eine Ersatzrolle Toilettenpapier vorraetig zu bekommen, erst wenn die eine alle ist, wird die naechste angebracht.
Man wundert sich langsam nicht mehr, wieso ein so grosses Land mit 1,3 Mrd Menschen gerade die Wirtschaftskraft der 80 Mio Deutschen erreicht. Der wichtigste Beruf ist Kontrolleur. Hier kontrolliert jeder jeden, Regeln werden gemacht und kontrolliert und die Kontrolleure kontrollieren sich gegenseitig auf verschiedenen Hierachieebenen. Es gibt wirklich viele intelligente, weltoffene Chinesen hier, aber das System erlaubt ihnen nur eine eingeschraenkte, kontrollierbare Entfaltung. Dabei koennen die Cleveren durchaus am System vorbei Geld verdienen. Unser Tourguide fuer Sonntag ist ein solcher Nebenverdiener.
Andererseits muss unsere Radtour morgen ausfallen, weil es einem chinesischen Luxushotel nicht moeglich ist mit 3 Tagen Vorlauf 8 Fahrraeder zu organisieren. Die Antwort war, dass es einen Radverleih nicht (mehr) gebe, weil die Chinesen jetzt alle Auto fahren. Da koennen wir ahnen, was der Planet zu erwarten hat, wenn demnaechst in West-China auch der Lebensstandart der Ostkueste ankommt.