Einkleidung für Rio
- Um Juli 30, 2016
- Von mtank
- In Rio 2016
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Erstmals seit ich dabei bin, brauche ich nicht mit Bus und Bahn nach Mainz zu reisen, sondern kann entspannt mit dem Auto bis Hannover fahren. Mal wieder in eine Kaserne, die, anders als zu meinen Bundeswehrzeiten, von Zivilisten bewacht wird. Nach wenigen Kurven komme ich auf dem Parkplatz an und stelle fest: auch die Bundeswehr hart sich seit meinem Ausscheiden (1996) erheblich verändert. Autos sind geleast und mit BW-Aufkleber versehen, der erste Soldat, der mich anspricht hat augenscheinlich einen afrikanischen Migrationshintergrund. Flecktarn war zu meiner Zeit auch nicht gebräuchlich. Ich komme in die Turnhalle, in der die Stationen zum Empfang der Kleindung aufgebaut sind. Bei der Anmeldung werde ich schon erwartet. „Ich muss Ihnen mitteilen, dass der Zoll in Brasilien streikt und wir nicht garantieren können , dass wir Ihre Koffer rechtzeitig ins Olympische Dorf bekommen, wir rechnen derzeit mit einer Zollfreigabe für den 11.8. 2016.“ Also etwa 1 Woche nach Eröffnung der Spiele, knapp 2 Wochen nach meiner Ankunft. Was bedeutet das praktisch? Ich werde gleich instruiert: „Wir haben Ihnen hier die Koffer der drei hingestellt, die gestern zur Einkleidung waren (Kira Walkenhorst, Laura Ludwig beide aus Hamburg und Trainier Jürgen Wagner (Moers)). Nehmen Sie die mit? Es tut uns leid, aber die müssen vom jeweiligen Besitzer selbst nach Brasilien transportiert werden.“ Gut dass ich einen Passat Kombi fahre…
Na dann also los: Mit einem Einkaufswagen und einem Laufzettel geht es zur ersten Station. Koffer, Handgepäck, Sporttasche und Laptoptasche werden ausgehändigt. Alles in Orangerot (außer der Laptoptasche). Da kommt sofort die Frage: Wir sind hier doch bei der Deutschen Einkleidung, oder? Oder sind die Holländer auch hier? Naja… Es folgt noch der Tipp, den großen Rollkoffer direkt dafür zu benutzen, die zu empfangenen Sachen einzupacken. Freundlich der Soldat… nur es ist meine 4. Einkleidung, -bei meiner ersten war er wohl gerade eingeschult…
Dann gibt es Schuhe. Flipflops und für die, die mehr als Größe 49 brauchen Adiletten. Ich hasse es, ein Band zwischen meinen Großzehen zu haben, vor allem, wenn ich damit im Sand rumlaufen muss (tja – falsche Sportart denken Sie jetzt – naja dann lieber anderes Schuhwerk, als eine andere Sportart). Für Adiletten kann ich mich aber auch nicht entscheiden, hab schon 3 Paar und gerade die aus London an meinen Nachbarn verschenkt. Also doch grüne Flipflops. Dann Turnschuhe rot, Turnschuhe weiß, das Feilschen mit der Größe geht los. Man kann nicht glauben, dass im 21. Jahrhundert, dem digitalzeitalter es nicht gelingt, eine Größe bei Schuhen zu vereinheitlichen. Ich probiere mich also mit meinen Riesenlatschen durch das Angebot und freue mich, ich kriege tatsächlich passendes Schuhwerk und Strümpfe. Nächste Station: T-Shirts und Oberbekleidung. Da Adidas in Bangladesh, Indien und einigen anderen asiatischen Standorten produziert und diese unterschiedliche Standards haben, sind auch hier die Größen nicht einheitlich. Deswegen weiß der erfahrene Olympionike, dass man alles anprobieren muss. Und dass natürlich bestimmter Größen einfach nicht mehr da sind. Eine enge Sporthose wird mir vorenthalten, weil Adidas davon nicht genug liefern konnte. Die Qualität der Bekleidung ist naja, man spart scheinbar an Reißverschlussqualität und auch die Nähte sind nicht immer okay. Liebe Shoppingqueens und Modebewußte, -zu denen ich mich ganz und gar nicht zähle, für mich ist Kleidung kaufen Horror- auch Euch mag angesichts der Tatsache, dass man für eine vierstellige Summe Sport- und Ausgehkleidung bekommt, das Herz aufgehen. Ich persönlich hätte viele der Kleidungsstücke nicht gekauft und finde das Design eher gewöhnungsbedürftig. Aber anziehen muss ich sie doch. Ich feilsche mich durch die Stationen und komme nach dem Empfang der Sportkleidung in den Bereich der Repräsentationskleidung. Hier wird zwischen Offiziellen und Sportlern unterschieden. Wir bekommen andere Sachen als die Sportler. Soweit so gut. Als ich die Hemden anprobiere, stelle ich fest, dass scheinbar niemals jemand bei Adidas Ausgehkleidung konzipiert hat. Früher als Bogner und Bette Barkley noch für die Ausstattung verantwortlich waren, da passte alles oder wurde nach Maß gefertigt.
Zumindest wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass es kleine und große, dicke und dünne Repräsentanten des Vaterlandes gibt, die alle irgendwie ordentlich aussehen wollen. Wenn es aber erst bei einer XXXL Jacke mit der Armlänge passt und dann der Bauch immer noch aussieht, als wenn man eine Presswurst wäre, dann frage ich mich, was die Designer und Schneider geraucht oder getrunken haben, als sie das entworfen haben. Es wäre ein Leichtes mal eine Erhebung bei einer Olympiamannschaft zu machen, was dort für (atypische) Physiognomien vorkommen. Dass ein Handballer, eine Gewichheber, ein Judoka oder Kugelstoßer andere Körperproportionen haben, als eine Turnmaus oder Langstreckenläuferin dürfte jedem klar sein.
Und dass man dann unter Einbeziehung von Funktionären, die ja auch diese Kleidung tragen müssen, einen etwas flexiblere Produktion starten muss, die auf Bauchumfang Bein- und Armlängen Rücksicht nimmt, sollte auch bei einem Weltkonzern zu vermitteln sein.
Ich jedenfalls kann konstatieren, dass die Ausgabe von Standardprodukten den Anforderungen keinesfalls gerecht wird.
Dabei ist keinesfalls alles schlecht, aber besser geht auf jeden Fall. Zumindest wenn man, wie ich auf die letzten 3 Einkleidungen zurückblicken kann. Ich habe heute noch Sportkleidung aus Athen, die in einem besseren Zustand ist, als das was wir in London bekommen haben. Mal sehen wie es mit der Nachhaltigkeit der Rio-Kollektion ist.
Am Ende des Laufzettels angekommen, nach Fotos für das Riohandbuch kann man noch ein Stück Kuchen essen, etwas trinken und dann geht’s es auch schon nach Hause. Ach ja – eine Sonnenbrille gibt es auch noch. Eine solche Brille würden sie dem Strandverkäufer, der dafür 10€ aufruft, um die Ohren hauen. Sieht billig aus, fühlt sich billig an, muss aber, vertraglich festgelegt, getragen werden, weil nur die mit dem Adidas-Logo zugelassen sind. Zum Glück finden unsere Veranstaltungen fast alle nach Sonnenuntergang statt.
Die Rückfahrt gestaltet sich ermüdend, 14 km Stau auf der A7 mit Stillstand.
In Hamburg liefere ich dann die Riesenkoffer bei den Mädels ab, die von ihrem Glück gar nichts wussten und sich nicht wirklich freuen, dass sie jetzt alles selbst schleppen müssen.
Jetzt muss noch irgendwie Jürgens Koffer nach Moers. Also verpacken, DHL beauftragen und einige Tage später ist auch das Problem gelöst.
Jetzt noch eine Woche Praxis und dann geht´s los.