Einkleidung in Mainz
- Um Juli 04, 2012
- Von mtank
- In London 2012
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Heute ist der Tag! Heute wird die offizielle Nominierungssitzung stattfinden, bei der Funktionäre incl. Ärzte offiziell für die olympischen Spiele nominiert werden. Dieser formale Akt hat Auswirkungen. Erst wenn man offiziell bestätigt ist, kann man zur Einkleidung fahren, bekommt, die Akkreditierungsunterlagen und das Flugticket. Olympiaeinkleidung, – eine besondere Sache: In der Kurmainzkaserne in Mainz ist eine Einkleidungsrundlauf mit verschiedenen Stationen aufgebaut. Die, die gedient haben, werden sich an den Beginn ihrer Grundausbildung erinnern, als es damals die Uniform gab. Heute ist es ähnlich, Bundeswehr Mobiliar und -Personal , unterstützt und organisiert durch Mitarbeiter des deutschen olympischen Sportbundes , gibt an die „Berechtigten“ die Sponsorengeschenke und Ausstattungsgegenstände.
Aber eins nach dem anderen. Gnadenlose Weckzeit auf meinem Wecker zu Hause ist 5 Uhr. Mein Gehirn kennt mich schon seit über 50 Jahren und weckt mich 5 Minuten vor dem Wecker. Das leise Atmen neben mir signalisiert, dass Madame tief schläft, und so soll es auch bleiben. Ich schleiche mich aus dem Schlafzimmer, dusche, ziehe mich an und packe meinen Lesestoff. Auf zum U-Bahnhof und dann zum Hauptbahnhof in Hamburg. Es klappt alles. Ich kaufe mir noch ein Brötchen und steige in den Sprinter, der mich mit nur einem Halt in Hannover in gut 3 Stunden nach Frankfurt bringt. Frühstück gibt es tatsächlich auch im Zug (Ich fahre erster Klasse, weil meine Bahncard dafür sorgt, dass ich nur den Preis der zweiten Klasse bezahlen muss, und der wird vom Volleyball Verband erstattet), dazu kann man kostenlos verschiedene Zeitungen bekommen. Es ist die seit Jahren beste Erfahrung mit der Deutschen Bahn und in Frankfurt holt mich Kirsten, eine befreundete Ernährungsberaterin am Bahnsteig ab. Ein bisschen Sightseeing in FFM, noch mal essen auf ihrem Balkon und dann Stau nach Mainz. Sie bringt mich bis in die Halle, in der die Einkleidung stattfindet und fragt mich, wie erwartet – Frauen sind sooo leicht auszurechnen-, ob ich ihr eine offizielles Einkleidungsshirt für Damen besorgen kann. Kann ich nicht, jedenfalls jetzt noch nicht, weil die erst in London zu tauschen sind. Männershirt gegen Frauenshirt, -wenn man abreist sind solche Tauschgeschäfte häufig, denn jeder will seinem Partner oder seinen Freunden etwas mitbringen.
In der Kaserne findet man meine Unterlagen – lange vorher waren Maßbögen für Adidas und Bogner abzuliefern. Ein großer Einkaufswagen wird heute voll werden. Zunächst bekommen wir 7 Taschen , 6 von Adidas, alle bedruckt mit dem Logo des DOSB. Bauchtasche, Laptoptasche, Toilettenartikel-Tasche, Rucksack, kleine und große Reisetasche, später noch eine von Bogner. Das allererste was es gibt ist die Kleiderordnung, die Regeln für Blog und Internet, Twitter und Medienauftritte und Bilder, was wir alles nicht dürfen. Keine eigenen Logos auf unseren (Arzt- )Taschen, wenn welche drauf sind, müssen sie abgeklebt werden. Die Bognertasche ist inoffiziell und das auf der Reise nicht verwendet werden, denn Reisekleidung ist adidas. Bogner wird bei Empfängen und beim Einmarsch getragen, ansonsten sind wir Werbeträger für den Hauptsponsor.
Wir bekommen Sportschuhe, Adiletten, 2 – Paar Halbschuhe, Trainingsanzug und T-Shirts, Regenkleidung – allerdings keine wasserdichten Schuhe oder gar Gummistiefel. Weiter geht’s es mit Freizeitkleidung dem Einmarschanzug und einigen Accesoires, wie einem karierten Halstuch und dem weißen Hut. Als nach etwa 1 Stunde alles zusammen ist, heißt es packen. Die Kleidung wird nach London transportiert, alles was ich dort haben will, muss ich einpacken. Allerdings darf ich nicht vergessen, meine Reisekleidung an mich zu nehmen, denn die Vorgabe ist: Reise in Adidas. Außer der Unterwäsche wird alles gestellt, incl. Socken. Es gibt 4 Zahlenschlösser, deren Bedienungsanleitung sich allerdings so anhört als sei sie mit Google translate übersetzt. Schließlich gelingt es, die Schlösser auf neue Zahlenfolgen zu programmieren und dann sind die Sachen verpackt, gesichert und zur Abgabe bereit. Nun wird’s haarig. Es ist 15 Uhr, mein Zug nach Hause geht um 16.10. Die offizielle Nominierungssitzung endet um 15 Uhr, wenn sie denn pünktlich ist. Ich darf erst MIT meinen Sachen weg, wenn ich offiziell nominiert bin, also die Email/das Fax aus Frankfurt in Mainz eingegangen ist. Es gibt auch keine Ausnahme, obwohl ich bereits 3 mal alle Überprüfungen bestanden habe und schon zweimal vorher nominiert wurde.
Ich esse etwas – Truppenküche. Es wird eine Portion Kartoffelsalat mit hausgemachter Frikadelle für 2 € angeboten. Das sind Preise, da müsste man eigentlich für 3 essen.
Als ich satt bin ist es immer noch erst 15.30 und nichts Offizielles liegt vor. Ich werde unruhig, muss ich doch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Bahnhof Mainz. Ich gehe an den Counter, – man checkt die Mails – nichts. Also beschrifte ich meine kleine Reisetasche, Name, Verband, Sportart und gebe sie ab. Ein Mitarbeiter fährt mich freundlicherweise in seinem Wagen Richtung Bahnhof . Wir sind grade einige Minuten unterwegs, da geht sein Telefon. „Seid ihr noch auf dem Gelände?“ Die Bestätigung meiner Nominierung ist da. Berufsverkehr setzt ein. Was tun? Zurückfahren und die Sachen holen, riskieren, den Zug zu verpassen? Oder alles so lassen und die Beachvolleyballer, die am Montag eigekleidet werden, bitten, meine Sachen mit nach Berlin zum nächsten Turnier zu nehmen?
No risk- no fun. Wir drehen um, es klappt alles, ich bekomme meine Tasche und den Zug nach Frankfurt. Dort habe ich 8 Minuten zum Umsteigen in den ICE nach Hamburg. Doch auf die Bahn ist Verlass. Bei Ankunft in Frankfurt ist klar, so gut wie alle ICE haben ca. 25 Minuten Verspätung. Wenn ich in meiner Praxis so arbeiten würde wie die Deutsche Bahn, wäre die Praxis voller Leichen. Unfassbar, wie schlecht dieses Unternehmen geführt und strukturiert ist. Ich sitze mir also die Beine in den Bauch auf dem Bahnsteig, die ganze Hektik vorher war umsonst. Mit 40 Minuten Verspätung kommen wir abends in Hamburg an, der Tag endet um 22.30. Ein ganzer Tag, nicht mein erstes Opfer für Olympia.